Schneller als der Schall

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BULLWHIP ODER: WIE ICH ZUM ERSTEN MAL MEINE PARTNERPERSON AUSPEITSCHTE

„Ich meine, knallen tut das schon ganz schön, so…“ Das war im wesentlichen der erste Gedanke, der mir damals, als ich meine „Bullwhip-Premiere“ hatte, durch den Kopf geschossen ist. Meine ich mit „schön“, dass es ein anregender Klang ist oder dass er ziemlich heftig sei? Von beiden ein bisschen.

Jemanden auszupeitschen ist eine der bekanntesten BDSM-Techniken überhaupt. Vielleicht liegt es an der christlich geprägten Sozialisation, welche die Buße mit der Peitsche kennt, vielleicht ist es ein bisschen Cowboy*girl, ein bisschen Indiana Jones. Aber diese elegant schwingende Verlängerung des Armes, wie sie durch die Luft saust und diesen unverwechselbaren, spitzen Knall von sich gibt, das fasziniert Kinkster schon seit langem.

Peitschen ist allerdings keine Faszination, die man in den eigenen vier Wänden einfach mal so ausprobieren sollte. Abgesehen davon, dass man dann entweder unfreiwillig neu einrichtet oder die Tapete mit Zebrastreifen verziert, ist die Peitsche ein Spielzeug, das geführt werden möchte – und muss. Ein Paddle oder einen Flogger kann man, wenn man langsam anfängt, recht gut zu zweit in den Griff bekommen, eine Peitsche hingegen verlangt Technik und Übung. Daher gehen meine Partnerin und ich zu Neujahr auf Empfehlung einer befreundeten Domina auf den „Five Feet Bullwhip-Stammtisch“. Der Leiter Zodiak13 sitzt umringt von den Besucher:innen in einer gemütlichen Sofa-Runde im Catonium und breitet verschiedenste Peitschen zum Anschauen und Anfassen aus: Aus Leder, aus Paracord, mit Griff, ohne Griff, lang, kurz, dick, dünn, einfarbig, grell-bunt… was das Herz begehrt.

Mit ruhiger und einfühlsamer Stimme führt er behutsam in die Welt des Peitschens ein, erklärt, welche Körperstellen sich eignen und welche nicht, wie man die beste Peitsche für sich findet, wie die Gepeitschten sich am besten schützen beim ersten Mal. So was sollte man wirklich nicht in einem Internet-Tutorial lesen, sondern sich von einem Profi zeigen lassen – denn direkt danach schreiten wir auch schon zur Tat und haben sogar die Wahl: Möchten wir SM-Peitschen ausprobieren oder lieber Kunstpeitschen? Letzteres ist fast ein akrobatischer Akt und eine kleine Demonstration zeigt, wie tänzerisch und rhythmisch die Seile durch die Luft fliegen und knallen.

Hätten Sie’s gewusst? Die Peitsche knallt nicht etwa, weil sie auftreffen würde – sie knallt, weil sie die Schallmauer durchbricht (was im übrigen ein wunderbar erregendes und die Nerven kitzelndes Kopfkino für die gepeitschte Person erzeugt). Wenn wir schon die Wahl haben, machen wir auch beides! Wir beginnen mit dem Kunstpeitschen (denn da kann man erstmal „ins Leere“ üben, ohne auf jemanden zu zielen).

Es dauert ein bisschen, bis wir den Dreh raushaben, wie genau sich der Arm bewegen sollte (erstaunlich mühelos), damit die Peitsche fliegt. Doch mit professioneller Hilfe gelingt es schnell, die Luft zum Knallen zu bringen. Fortgeschrittene zielen bereits auf die im Raum verteilten Ballons – der Clou: Diese dürfen NICHT platzen! Die Teilnehmer:innen des Stammtisches treffen sich im Sommer auch im Park zum Kunstpeitschen – „was das für ein Anblick sein muss“, schwärmen wir.


Weiter geht es in den Dungeon, wo das BDSM-Peitschen stattfindet. Eine erfahrenere Teilnehmerin nimmt sich uns Anfänger:innen an und zeigt uns einfühlsam und mit der nötigen augenzwinkernden Erotik, wie ich meine Partnerin am besten mit der Peitsche umschmeichle: Wenn ich es richtig mache, wickelt sie sich anschmiegend um die Oberarme oder die Hüfte meiner mit dem Rücken zu mir stehenden (wichtig, Gesicht muss geschützt sein) Partnerin und gibt ihr mit dem Ende einen kleinen aber feinen Klaps. Langsam ziehe ich die Peitsche dann auch wieder zurück, sie zieht sich dadurch kurz fest und umschlingt den Körper.

Beziehungsweise: Das ist das, was passiert, wenn es perfekt läuft.

Einige Male fällt sie auch nur schlaff zu Boden – Es ist ein abgegriffener Spruch, aber hier gilt wirklich: Übung macht die Meisterin! Ich merke jedoch, dass ich als aktiver Part gerade dermaßen auf Technik konzentriert bin, dass ich gar nichts dazu sagen kann, wie sich das alles eigentlich anfühlt – darum lasse ich meine Partnerin Frau Schwalbe zur Sprache kommen: „Aus meiner Sicht muss ich ganz viel Vertrauen und Hingabe aufbringen, während ich mit dem Rücken zu einer Person mit einer langen, potenziell knallenden Peitsche stehe. Und ich liebe dieses absolut vertrauensvolle Hingeben und auch Abgeben. Dann steckt darin ganz viel Überraschungseffekt. Du weißt nicht, wo die Peitsche dich am Körper berühren wird, ob sie dich umschlingt, wie intensiv sie dich trifft und überhaupt, ob es knallt. Und wenn sie dich dann trifft, in diesem absoluten Überraschungsmoment, umschmeichelt sie binnen Sekundenbruchteilen deinen Körper und trifft dich hart oder auch ganz zart.

Um es mit Forrest Gump auszudrücken: Peitschen ist wie eine Schachtel Pralinen – du weißt nie, was du bekommst (und wann du es bekommst).

Und wenn der Gebende die Peitsche nach dem Umschlingen wieder ganz langsam zurückzieht, ist das dabei fester werdende Umwickeln wie eine kurze dich haltende Umarmung, die dann weiter in ein ganz zartes, genussvolles Streicheln mündet.

Und dann beginnt das faszinierende Spiel wieder von vorn: Vertrauensvolle Hingabe, Erwartung, Überraschung, Umschmeichelung, Schmerz (in völlig unterschiedlichen Intensitäten), Umarmung, Streicheln, Freiheit.
Kurzum: Perfekt für ‚sensual masochists’.“

Meine Partnerin ist jedenfalls begeistert und während ich dies schreibe planen wir bereits unseren nächsten Besuch auf dem Stammtisch. Denn was man beachten sollte: Man braucht wirklich Platz. Also sehr viel Platz, den Ecktisch im Wohnzimmer kurz zur Seite stellen reicht nicht. Nehmt euch für euer erstes Kennenlernen der Peitsche also wirklich am besten einen Workshop oder einen Stammtisch vor, die finden an Orten statt, wo der Platz besteht. Auch manche Clubs haben Areas, die extra dafür gedacht sind – dass man dabei trotzdem auf die Umgebung achten muss, versteht sich von selbst.


Peitschen mag also nicht die ideale Beschäftigung fürs Schlafzimmer oder die Play&Dance-Party sein, aber wenn ihr die Gelegenheit habt, ist es ein Reigen aus tänzelnden und schnalzenden Zünglein in der Luft und sanfthartem Kontakt zwischen zwei Menschen – probiert es aus und „lasst es knallen“!

AUTHOR: Mr. Ithaqua & Frau Schwalbe
FOTO: Chris w. braunschweiger / Model: AVAfetishart

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