WILLKOMMEN AM BufFetish!

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Sinn und Unsinn von Labels in der Kink-Szene

Die mit den Seilen. Der kleine sub. Der Konstrukteur. Mr. &Mrs. Rubberlover. Das Switchy. SeinStück. IhrSklave. Sir. Herrin.

Meine Partnerin erhielt kürzlich ein seltsames Anschreiben über ein einschlägiges Internetportal (zum Schutze der Identität des Schreibenden hier paraphrasiert und umbenannt): Sie wurde eingeladen, einer exklusive Gemeinschaft namens „Die Vereinigung“ aus ausgewählten Herren und Damen (nur Paare oder Solo-Frauen) beizutreten.


Mastermind hinter „Die Vereinigung“ war Sir „Namegeändert“. Die Gemeinschaft sei sein Werk, seine Vision, sein Schaffen. Er sei „der von ‚Die Vereinigung‘“. Und er würde zum Probespiel ein Hotel-Date begrüßen. Letzteres sorgte bei uns beiden für schallendes Gelächter, aber dann nahmen wir das zum Anlass, überhaupt über Label nachzudenken: Sir Namegeändert, der Verfasser der oben genannten Einladung, mag zwar letztlich auch nur ein Hotel-Date vorgeschlagen haben, doch er versuchte herauszustechen. Sich zu definieren. Seine kinky Identität zu zeigen. Und das wiederum ist nicht zu belächeln, denn das machen wir ja alle ein bisschen.


Kink-Namen dienen zwar in erster Linie dem Schutz der Privatsphäre. Sie haben dann aber – wenn man ein bisschen kreativer ist als „Wuppertal123“ oder „WilligeStute69“ – auch den Effekt, dass die eigene kinky Identität gesucht und gefunden wird – das, was sonst nicht raus soll oder darf. Und sie helfen uns, gerade wenn wir neu sind, uns in diese „verbotene, verruchte, perverse“ Szene zu begeben: Nicht jede:r von uns hat das Glück, offen und sexuell-gebildet in die Geschlechtsreife zu starten. Viele wuchsen oder wachsen nach wie vor in normativen Umfeldern auf und kennen Kink nur durch das Browser-Fenster, dass man schnell zumacht, wenn jemand reinkommt. Schnell noch den Verlauf löschen?

Als ich selbst in die Szene startete, habe ich mir auch so ein Label genommen, mit dem ich mich verorten konnte: Da ist „die Szene“, deren Zugehörige sich kennen, die schon (vermeintlich) weiter sind als ich. Ich bin der Neuling, auch noch männlich-gelesen und damit einer unter vielen.

Meinen Namen kann sich jetzt eh niemand merken, also labele ich mich „Künstler“. Ich bin der Künstler, der Mensch, der Kunst macht. Und so wurde ich dann auch angenommen. Ich begann mein Outfit danach zu gestalten, man bezeichnete mich auf einer Party mal als „der, der wie ein Magier aussieht“. Mein Label war etabliert. Doch irgendwann kam dann natürlich auch die Frage:

Und was ist dein Kink? Dom oder sub? Und dann waren sie wieder da, die Möglichkeiten: Was bin ich eigentlich? Bin ich Fetischist? Bin ich SMer? Kinkster? Perverser? Pet-Player? Rigger? Bunny? Serve? Caretaker? Switcher? Doll?

Die Liste geht unfassbar lange so weiter. Hunderte Begriffe gibt es mittlerweile für die verschiedensten kinky Identitäten. Und welches davon klatsche ich mir jetzt auf mein Profil? Klar, in einer Szene, in der es unfassbar viel um Vertrauen geht, ist es wichtig, dass das Umfeld dich schnell einschätzen kann. Bist du eher der Daddy-Dom oder die Uniform-Lady? Wie wird es sein, mit dir ins Gespräch zu kommen? Bist du ein:e potenzielle:r Spielpartner:in? Wie reagiert man, wenn du fragst? Oder lohnt es gar, dich zu fragen, weil du eine:r der wenigen Rigger:innen auf dem Fesseltreff bist? Labels dienen also nicht nur der eigenen Identifikation, sondern prägen auch die Wahrnehmung von außen. Die private Persönlichkeit bildet sich sehr leise und kaum merkbar über Jahrzehnte – die kinky Persönlichkeit können wir direkt und unmittelbar formen!


Aber, aber… liebe Leser:innen, irgendwas stimmt da noch nicht für mich. Geht es euch auch so, dass sie sich da einfach nicht komplett gesehen fühlen? Ich habe selbstverständlich Verständnis und Respekt für alle, die für sich ganz klar dieses eine Label bevorzugen und da keine Abweichungen sehen. Aber ich selbst bin nicht nur Switcher, ich stehe auf wirklich viele Dinge. Die oben genannten Begriffe? Quasi alles ich. Was bin ich also? Eine Einkaufsliste? Nicht so sexy, oder?


Daher möchte ich ein neues Konzept vorschlagen: Wir stehen am Buffet in einem tollen Hotel (oder einem SM-Club, wie ihr mögt). Alles ist dabei, von Sushi über eine Ramen-Bar, frischen Salat bis zur leckeren Lasagne. Sieht das nicht toll aus? Heute wird geschlemmt und ihr habt die freie Wahl. Den Reisbrei auf den gleichen Teller wie die Bratkartoffeln? Why not! Oder doch lieber ordentlich Soße auf die Nudeln? Heute doch eher was Süßes? Die Pfannkuchen sehen lecker aus… Welch ein Genuss!


Und genau diesen vielfältigen Genuss möchte ich gerne auch in meinem Kink haben. Daher spielen wir doch kurz mal eine kleine Session mit dem Wort „Buffettisch“ und machen daraus einen „BufFetisch“! Heute ist mir danach, ein Leder-Gimp zu sein, morgen muss meine dominante weibliche Seite an die Oberfläche. Übermorgen trage ich High Heels, gestern war ich in ein Vakuumbett gesaugt. Alles ist willkommen, meine Grenzen bestimme nur ich. Manchmal hört man es noch, dass über das Switchen die Nase gerümpft wird. Das wäre nicht klar, man solle sich mal entscheiden. „Echte“ SMer wären sub oder dom.


Ich stimme da ganz und gar nicht zu – im Gegenteil, liebe Leser:innen: Wenn ihr mögt, kommt aus eurer Haut heraus. Und auch aus eurer zweiten! Und eurer dritten! Legt euch so viele Identitäten zu, wie ihr mögt. Macht aus eurem Neigungsbogen Multiple Choice. Und ja, selbst wenn du dich schon als das eine gefunden hast, in dem du dich pudelwohl fühlst… ich möchte dir trotzdem von ganzen Herzen vorschlagen, Neues zu entdecken!

Denn das ist es, was ich an unserer Szene so liebe: Man hat nie „alles“ gesehen und gespürt. Es gibt immer wieder Dinge und Empfindungen zu entdecken, die vorher unbekannt waren. Fesseln zum Beispiel hat mich nie „angemacht“, aber nachdem ich es einfach mal probiert habe, stellte ich fest, dass es mich enorm entspannt. Hätte ich nie herausgefunden, hätte ich es nicht einfach probiert. Gut, manche Dinge muss ich auch nicht probieren, um zu wissen, dass ich das nicht möchte, aber Neugierde ist immer erstmal etwas positives, solange alles schön einvernehmlich passiert.

Und wenn du feststellst, dass die Anal-Training-Session doch nichts für dich war? Dann hast du erstens eine tolle Geschichte und zweitens eine neue Erfahrung über dich gemacht. Und beim nächsten Gang zum BufFettisch nimm dir halt was anderes. Sind ja genügend Köstlichkeiten da.
AUTHOR: MR.ITHAQUA

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