DOKUMENTARFILMER ARI DENARO
Kink verbindet. Und doch gibt es in der Szene eine Bandbreite an unterschiedlichsten Charakteren – Individualisten, Mauerblümchen, Alltagshelden, den Creep von nebenan und viele mehr. So unterschiedlich wie die Menschen ist auch die Art und Weise, wie sie mit ihrem Kink, dem Outing in den eigenen Kreisen und der Transparenz als Kinkster umgehen.
Das liegt natürlich zum einen daran, was genau jede Person über sich preisgeben möchte. Bei den meisten jedoch ist die Offenheit für Sexualität stark von den Moralvorstellungen der Gesellschaft beeinflusst, geprägt durch den Beruf, eine öffentliche Position oder familiäre Kreise, außerdem Religion. Es gibt in Deutschland nach wie vor viele Gründe, warum das offene Gespräch über Fetische und intime Begegnungen nicht selbstverständlich ist.
Ein Weg, diese Welt auch den „Vanillas“ zugänglich und vor allem verständlich zu machen, ist der über die Medien: Dokus, Zeitungsartikel, Influencer*innen – mehr und mehr entwickelt sich die BDSM-Szene zu einem interessanten Thema für die Öffentlichkeit. Nun kann man sich über die Qualität einzelner Beiträge streiten.
Was jedoch der Kern ist: Es wird „normaler“ darüber zu sprechen und zu diskutieren.
Eine der neusten Dokumentar-Produktionen des italienischen Regisseurs Fabio Breccia versucht genau das: Die Subkultur für Menschen verständlich zu machen, die noch wenig Berührung damit hatten. Als Protagonisten hat er sich den „Dungeon Master“ des Berliner KitKat-Club ausgewählt, Ari Denaro alias „Kamasutraninja“. Aris Wurzeln liegen in Sizilien, doch er begann neben seinem Jura-Studium früh die Welt zu bereisen und die verschiedensten Szenen zu entdecken und später auch filmisch zu dokumentieren.
„Subkulturen haben eine Seele, einen Inhalt“, sagt er dazu in der Doku.
Er betrieb seit 2012 lange den Youtube-Kanal „DokumentARI“, bis YouTube die Inhalte schließlich aufgrund ihrer Freizügigkeit sperrte. Darin beschrieb er nicht nur BDSM, sondern zeigte beispielsweise die Punks in London, die Gothics in Leipzig und die Goas in New York.
Ari fasziniert vor allem die Individualität der Menschen, die in den Subkulturen leben. Früh erkannte er für sich, dass er dazu gehörte, und dass er seine Vorlieben und sein Dasein nicht verstecken möchte. In der Doku beschreibt eine Sub, dass alle Doms wohl eine ausgeprägte narzisstische Ader haben und die Szene ihnen ermöglicht, diese auf gesunde Art und Weise auszuleben. Vielleicht trifft das auch auf Ari zu und kreierte in ihm dem Wunsch und den Mut, nach außen zu tragen, wer er ist und was er will. Eines der Ziele, die Ari für sich formuliert hat, ist das Kreieren schöner Shows. Er beschreibt sich als Exhibitionist und Performer. Seine Leidenschaft ist der Umgang mit Schlagwerkzeugen. Dabei sieht er sich weniger sadistisch, sondern empathisch gegenüber den Subs, die er bespielt. Nach außen möchte er die Bedeutung von Vertrauen, Kommunikation und Technik transportieren.
Auffällige Kleidung, Musik, Dramaturgie und eine klare Botschaft sollen das Publikum unterhalten. Quentin Tarantino gab ihm mit der „Ball-Gag-Szene“ aus Pulp Fiction seine erste Inspiration für seinen Weg zum BDSM. Durch „Hokuto No Ken“ von Kenshiro, einem postapokalyptischen Anime, ließ er sich später zu seinem Äußeren inspirieren. Mit Kamasutraninja hat Ari eine Kunstfigur erschaffen, die sich mit seinen Neigungen und Vorlieben nicht verstecken möchte.
Die Doku legt Wert darauf, viele Fragen nach dem Warum zu beantworten, ohne sie aktiv zu stellen. Sie wirbt glaubwürdig für Verständnis für BDSM. In den Interviews beschreiben die Protagonist*innen Ausprägungen und Empfindungen ihrer Neigungen, erzählen, warum sie sich in der BDSMSzene wohl fühlen und dass sie ansonsten ein gesundes Leben führen. Sie sprechen über Erfüllung, Konsens, Kommunikation und Akzeptanz von Grenzen. Deshalb ist insbesondere der zweite Teil der Doku, etwa ab der 38. Minute, besonders interessant für Menschen, die bisher wenig Berührung mit der Szene hatten. Zu Beginn des Films stehen vor allem Lebensweg und Innenleben von Ari Denaro im Vordergrund. Dies fächert sich anschließend auf und es kommen viele Besucher*innen des KitKat-Clubs in Berlin zu Wort – als Symbol für eine Pilgerstätte der Szene.
Der Club wird als Safe Space beschrieben und erzählt, wie und warum dieser und ähnliche Orte entstanden sind. Sie sind ein Schutzraum für die Menschen, die einen freiheitlichen Zufluchtsort suchen, um ihre Sexualität erfüllt leben zu können und Menschen zu treffen, denen es ähnlich geht.