Zwischen Ropes und Reels

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Warum die “Modern Loneliness” kinky Menschen noch härter trifft

Wir posten. Wir checken unsere Views. Wir taggen, teilen Beiträge, rutschen durch Stories, kommentieren, chatten…

Und trotzdem war echte Nähe vielleicht noch nie so schwer zu finden wie heute. Auch wenn es Räume gibt wie Deviance, in denen ehrliche Verbindungen möglich sind, bleibt das Gefühl der Isolation für viele real.

Social Media gibt uns das Gefühl, Teil von etwas zu sein. Einer Szene, einer Community, einer Bewegung. Und das Gefühl ständig mit anderen in Kontakt zu sein. Hier ein lustiges TikTok, das man einem Freund oder einer Freundin schickt, eine kurze Nachricht, wie es so geht, dort ein Like und ein Flammenemoji auf das neueste Urlaubs-Update.

Niemals allein und trotzdem einsam Und doch fühlen sich viele von uns zutiefst isoliert. Dieses Paradoxon beschreibt das Phänomen der „Modern Loneliness“ oder “Social Media Induced Loneliness”. Eine Form der Einsamkeit, die nicht trotz sondern gerade wegen der ständigen digitalen Vernetzung entsteht.

In der Kink-Community sprechen wir viel über Konsens, Sicherheit, Techniken. Wir organisieren Workshops Stammtische und Parties, diskutieren über Grenzen und feiern unsere Vielfalt. Doch selten reden wir über das Gefühl der Einsamkeit, das viele von uns begleitet. Es ist ein Tabu innerhalb eines Tabus.

Dabei ist dieses Gefühl in der Kink-Community besonders ausgeprägt. Viele von uns leben ihre Vorlieben im Verborgenen, aus Angst vor Stigmatisierung oder Ablehnung. Während andere stolz ihr Liebesleben ihre Outfits, ihre Reisen – oder was ich persönlich am nervigsten finde – ihre Morgenroutinen teilen, tragen wir oft eine doppelte Maske: die der sozialen Medien und die des Schweigens über unsere wahren Sehnsüchte.

Kein Empfang im Innenleben Wer auf Schmerz, Kontrolle, Hingabe oder Machtspiele steht, lebt oft mit einem inneren Spagat: Der Wunsch nach Verbindung trifft auf die Angst vor Ablehnung. Die Lust ist da, aber sie bleibt versteckt. Vielleicht vor der Familie, dem Job, dem Partner oder vor sich selbst. Und so sind viele von uns zwar connected, aber innerlich allein.

Hinzu kommt: Was wir auf Plattformen sehen, ist meist eine kuratierte Version von Kink: ästhetisch, sexy, distanziert. Die Likes und Herzen ersetzen kein echtes Berührtwerden. Der perfekte Shibari-Post ersetzt kein echtes Loslassen. Und ein Swipe ersetzt kein echtes Gesehenwerden.

Dabei ist BDSM wie kaum etwas anderes auf Nähe gebaut. Auf Vertrauen. Auf Kommunikation, Präsenz, Intimität. All das entsteht nicht durch ein gutes Profilbild, sondern durch Begegnung. Echte Begegnung. Und genau da wird es für viele schwierig. Weil wir gar nicht mehr wissen, wie das geht.

Eigentlich braucht es nicht viel… Denn wie begegnet man jemandem wirklich, in einer Welt, in der alles immer schneller, perfekter und verfügbarer sein soll? Vielleicht so: Indem man unperfekt ist. Ungefiltert. Unsicher. Teilen wir unsere Ängste, Wünsche und Unsicherheiten mit Menschen, denen wir vertrauen. Echtheit schafft Nähe.
Indem man Fragen stellt statt Rollen zu performen.
Indem man zuhört, bevor man reagiert.
Indem man sagt: Ich weiß gerade nicht, was ich will, aber ich will es mit dir herausfinden.
Indem man sich nicht in seine Neigung flüchtet, sondern sie als Einladung zur Offenheit begreift.
Indem man Räume schafft, in denen es nicht nur um Klicks und Kicks geht, sondern auch um Gefühle. Indem man Offline-Begegnungen sucht. Besuchen wir Veranstaltungen, Stammtische oder Workshops, um echte Verbindungen aufzubauen.

Kink kann vieles. Aber Gesehenwerden braucht besonders viel Mut. Ja gerade der letzte Punkt klingt paradox, angesichts dass ich eine Online-Dating-Plattform gegründet habe. Doch im Gegensatz zu Insta und Co. ist Deviance ja darauf ausgelegt, sich auch in „echt“ zu treffen und nicht nur Likes zu sammeln. Einsamkeit ist nicht nur das Fehlen von Gesellschaft. Es ist das Fehlen von Verbindung. Viele von uns spüren dieselbe Einsamkeit und denken, sie wären damit alleine.

Spoiler: Bist du nicht. Aber du musst dich zeigen. Nicht als perfekte:r Sub, Dom, Switch oder Rigger. Sondern als Mensch. Mit deiner Geschichte. Deinen Sehnsüchten. Deinen Grenzen. Denn echte Intimität entsteht nicht, wenn alles glattläuft. Sondern wenn wir uns trauen, echt zu sein. Auch wenn die Schlaghand mal nicht ganz so treffsicher ist.

AUTHOR: MARINA / FOTOS: DEVIANCE.COM

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