DAS HERZBLUT HINTER DEN KULISSEN
Ein Interview mit Anne und Michael von Enzberg. IN den letzten fünf Jahren sind drei neue Messen zu den Themen Fetisch, BDSM und Alternative in Deutschland entstanden und erleben großen Zuspruch ihren Szeneangehörigen. M&A Messemanagement riefen 2017 zur Passion Messe in Hamburg, 2018 die obscene in Karlsruhe und jüngst die Dark Affair in Leipzig ins Leben.
Hinter diesem Label stehen Anne (55) und Michael von Enzberg (69), ein freundliches Ehepaar aus dem ländlichen Schwarzwald. Insbesondere Michael ist kein unbeschriebenes Blatt, was die professionelle Organisation und Durchführung von Messen anbelangt. Seit 1985 arbeitet er in der Konzeption, Vermarktung und Organisation von Messen und Veranstaltungen. Und eigentlich ist er seit einigen Jahren in Rente. Eigentlich – denn Anfang 2016 entstand die Idee der Passion Messe. Anne und Michael genießen zusammen ihre Vorliebe für BDSM und Fetisch. Ein gemeinsamer Freund, den sie in der Szene kennengelernt haben, fragte Anfang 2016 nach Michaels Expertise und ob er sich nicht vorstellen könnte, mal eine Messe für BDSM und Fetisch aufzusetzen. Dieser hatte bis dato – bei all den Messen, die er selbst erlebt oder an den Start gebracht hatte – von Fetish Fairs, wie der BoundCon, noch nichts gehört! So besuchten sie die bekannte Messe in München und anschließend stand der Entschluss fest – 2017 wird die erste Passion Messe in Hamburg stattfinden. Das ist jetzt fünf Jahre her und nun öffnet das etablierte Format vom 10. bis 12. November wieder seine Pforten für spannende Ausstellerinnen und Gäste. Anlässlich dazu führte Ori vom MyKink Magazin ein Interview mit Anne und Michael von Enzberg.
Hallo in den Schwarzwald! Was unterscheidet eure drei Messen voneinander?
Die Passion richtet sich vor allem an die BDSM- und Fetischszene. Die obscene deckt auch die sexpositive Szene im weiteren Sinne ab. Die Dark Affair hat den Schwerpunkt „Dark Fashion for Dark Passion“ in einem Messezelt mitten in Leipzig. Und anstatt Performances spielen Bands der Gothic-Szene auf der Bühne.
Wie kamt ihr auf den Standort Hamburg für eure erste BDSM und Fetish Fair?
In unserer Standortanalyse betrachteten wir natürlich mehrere Städte. Wir sahen uns an, wo es bereits solche Formate gibt und entdeckten den kahlen Fleck im Norden, der allerdings durchaus eine interessante BDSM-Szene vorwies. Bei unserer Recherche und den Gesprächen mit namhaften Veranstalterinnen und Personen aus der nördlichen Szene erfuhren wir, dass in den jetzigen Messeräumen bereits ein ähnlicher Versuch gescheitert ist. Auch brauche man in Norddeutschland wohl etwas länger, ehe man die Menschen hier für etwas begeistert bekäme. Dennoch, unser Konzept und unsere Rechnungen machten uns Mut. Eine solche Messe konnte in Hamburg funktionieren.
Wenn wir schon beim Thema Rechnungen sind, frage ich gleich mal direkt: Schreibt ihr schwarze Zahlen?
Was heißt denn schwarze Zahlen? Bei der ersten Messe gingen wir mit plusminus Null raus. Das kann ich allerdings nur so sagen, wenn Anne und ich unsere Arbeitszeit da nicht mit einberechnen. Ab der zweiten Messe, stiegen die Besucherzahlen und wir merkten, dass die Passion wirklich eine Zukunft hat!
Ihr organisiert die Messe zu zweit. Wie könnt ihr das stemmen?
Anne (lacht): „Indem man den besten Ehemann der Welt hat!“ Tom Walker, der seit der ersten Passion als Moderator dabei ist, sagte mal auf der Bühne, dass Anne das Herz von M&A Messemanagement ist und ich der Kopf. Anne kennt jeden Ausstellerin mit Namen, begrüßt sie und kümmert sich um deren Bedürfnisse. Ohne sie würde das alles nicht funktionieren. Ich hatte zuvor einen Beruf in der Pflege und war zudem Hausfrau mit Kindern. Als die Messen dazu kamen, merkte ich, dass es mir zu viel wird. Ich habe meinen Job gekündigt und mich ganz der Messe verschrieben.
Wie nehmt ihr euch als Paar eine Auszeit, wo es mal nicht um die Organisation der nächsten Fetish Fair geht?
Wir leben recht abgeschieden im Schwarzwald, haben hier viel Ruhe und können bewusst entscheiden, wann wir Zeit allein, zu zweit oder mit anderen Menschen verbringen möchten. Die Umgebung macht es uns möglich, uns immer wieder aus dem Geschehen rauszuziehen.
Im November findet die Passion Messe erneut statt. Was könnt ihr uns über die Ausstellerinnen verraten?
Nach aktuellem Stand sind es 103 Ausstellerinnen. Die Zahl ist vor allem abhängig davon, wie groß die einzelnen Stände sind. Unser besonderes Anliegen ist es, auch kleinen Labels und Handwerkerinnen die Möglichkeit zu geben, ihre Produkte auf der Passion vorstellen zu können. Oft können diese sich reguläre Messepreise nicht leisten. Damit sich eine Messe rechnet, kalkuliert man im Normalfall mit einer Standgebühr von etwa 100€ pro Quadratmeter. Wir liegen etwa bei der Hälfte. Somit schaffen wir es auch, diverse Zielgruppen zu erreichen. Auch ist uns Ausstellerinnen-Bindung sehr wichtig. 75% der Stände aus den Vorjahren kommen auch in 2023 wieder. Die anderen 25% konnten wir dieses Jahr neu für die Messe gewinnen. Neben den Verkaufsständen, sind natürlich Shows und Perfomances ein weiterer Bestandteil des Messegeschehens. Hier möchten wir vor allem authentischen Künstlerinnen eine Bühne geben. Die Performerinnen sollen zueinander und zu dem passen, was sie zeigen. Hier ist es natürlich immer eine Frage, was funktioniert auf der Bühne.
Das klingt wirklich nach einem Herzensprojekt von euch beiden! Habt ihr eine Mission, was ihr euch in den nächsten Jahren für die Messen wünscht?
Ja, wir haben das Projekt der Diversität noch nicht abgeschlossen und möchten gerne mehr Sparten aus BDSM und Fetisch einen Raum geben. Beispielsweise haben wir es in den letzten Jahren geschafft, auch Gay-BDSM zu einem Thema zu machen. Weiterhin frage ich mich, wie kann Pet-Play vielleicht auf einer Bühne funktionieren? Gerne würden wir die Messen auch für jüngere Menschen attraktiver machen. Unsere Gäste sind vor allem 40+. Das ist zum einen eine Frage des Marketings und zum anderen des Angebots auf der Messe selbst. Vielen Dank für das spannende Interview und die Einblicke hinter die Kulissen.